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In Memoriam Walter Neupert (1939 - 2019)

Was man tief in seinem Herzen trägt, kann man nicht durch den Tod verlieren (J. W. von Goethe)

Die GBM trauert um ihren ehemaligen Präsidenten Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Dr. h. c. mult. Walter Neupert, der am 22. Juni 2019 in seinem 80. Lebensjahr verstorben ist.

Mit Walter Neupert verlieren die deutschen Biowissenschaften einen ihrer Ausnahmewissenschaftler und Gelehrten im klassischen Sinne. Seit seinem Studium der Chemie und Medizin an der LMU München begeisterte sich Walter Neupert für die Prozesse, durch die Mitochondrien gebildet werden. Seine erste Abschlussarbeit als Student galt dem Versuch, isolierte Mitochondrien in Lösung zu vermehren und „wachsen zu lassen“, nachdem kurz davor entdeckt worden war, dass Mitochondrien DNA enthalten. Dieser Ansatz misslang, da, wie sich schnell zeigte, Mitochondrien die meisten ihrer Proteine aus dem Zytosol enthalten. Diesem Prozess, dem Import mitochondrialer Proteine aus dem Zytosol, widmete Walter Neupert von dem an sein wissenschaftliches Leben, die meiste Zeit als Vorstand des Adolf-Butenandt-Instituts der LMU in München. Nach seiner Emeritierung arbeitete er erst als senior group leader am MPI für Biochemie in Martinsried, dann wieder als Gruppenleiter in der Zellbiologie der LMU – und bis zuletzt sehr erfolgreich, wie zwei kürzlich publizierte Paper in Cell (2017) bzw. Nature (2019) eindrücklich belegen, die zeigen, wie die Zelle nicht-produktive Importintermediate an der Mitochondrienmembran abbauen kann.

Für seine bahnbrechenden Arbeiten zur Biogenese und Architektur der Mitochondrien wurde Walter Neupert unter anderem mit der Ernst Jung Medaille (2015), dem Bayerischen Maximiliansorden für Wissenschaft und Kunst (2008), der Otto-Warburg-Medaille der GBM (2000), sowie dem Gairdner Foundation International Award (1998) ausgezeichnet. Seine wissenschaftlichen Schüler, von denen inzwischen über fünfzig selbst Dozenten in verschiedenen Europäischen Ländern, Nord- und Südamerika und auch Japan sind, verlieren ihren herausragenden wissenschaftlichen Lehrer und prägenden Mentor.

Walter Neupert war von 1995 bis 1997 GBM-Präsident.

Um den Menschen hinter dem Ausnahmewissenschaftler sichtbar und begreifbar zu machen, möchten wir an dieser Stelle Walter Neupert nochmals selbst zu Wort kommen lassen, sowie zwei seiner Schüler: Im Nachgang eines Symposiums „Mitochondria and Friends“ und der damit verbundenen Feier seines 70. Geburtstages im Jahr 2009 schrieb Walter Neupert an die Teilnehmerschaft ehemaliger und gegenwärtiger Schüler: „Mit Ihrem Kommen zu dem Symposium und mit seiner Gestaltung haben Sie mir eine ganz außergewöhnliche Freude gemacht. Was im Tumult der täglichen Arbeit immer droht unterzugehen, hat mir das Treffen mit den „Ehemaligen“ in mehrfacher Weise bewusst gemacht: Zum einen wie viel ich allen verdanke, die es eine Zeit lang mit mir ausgehalten haben und die Freude und die Enttäuschung von gelungenen und misslungenen Konzepten und Experimenten mit mir geteilt haben, zum anderen, dass für die meisten von Ihnen diese Zeit einen nun festgeschriebenen Bestandteil der Lebensgeschichte darstellt. Mich selbst betreffend wurde mir dies bei der Feier deutlich vor Augen geführt, deutlicher als ich es bisher gesehen habe. So fest der Blick nach vorn gerichtet ist, so sehr ist nicht wegzudenken, dass der Blick zurück einen viel längeren Zeitraum umfasst als der Blick nach vorne hoffen kann. Auch die Realität des noch möglichen Tuns im Vergleich zum Erreichten ist in seiner Beschränkung nicht zu verleugnen.“ Zu unserer allen Entsetzen hat sich nun seine Prophezeiung leider viel zu früh erfüllt.

Zwei Zitate von seinen internationalen Schülern anlässlich seiner Todeanzeige: „I do not have enough words to express how much Walter had inspired us with his accomplishments and his multiple visits to Japan over many years. We will never forget and will carry on his passion on exploring mitochondria“ (Koji Okamoto, Osaka, Japan). „One important aspect of Walters life was that he always wanted his Science to be performed in Germany. From a small team in the 1970s he lit a scientific candle which grew into a blazing beacon. His seminal study led to a whole new field of Intracellular protein traffic and signaling. He has produced a cadre of brilliant disciples of scientific excellence. He was a stickler for definitive proof never a speculator, his work was characterised by production of proof of his utterances and publications. He was also a very cultured man with a wide range of knowledge of other cultures ranging from classical German to ancient Irish. He was also unknown to many a very charitable man, quietly and unobtrusively executed. He could truly be described as Ein Echter Mensch” (Matthew Harmey, Dublin, Irland).

Als Chef, heute würde man vielleicht sagen: als Leiter seiner Arbeitsgruppe, war Walter Neupert sicher nicht immer einfach. Er verlangte von seinen Mitarbeitern alles menschenmögliche (und manchmal mehr) und gleiches verlangte er in besonderem Maße auch von sich selbst, er lebte es vor. Neupert-typisch war beispielsweise die Ermahnung an einen Doktoranden nach Annahme dessen Artikels in Nature: „Jetzt bloß nicht nachlassen!“. Er brannte für die Wissenschaft, nahm sich viele Stunden Zeit, um Daten zu diskutieren/interpretieren, und sei es mit dem „kleinsten“ Praktikanten und um mit seinem Füller Modelle und Strukturen in seine Kalender zu zeichnen. So geschah es auch noch bis zuletzt im Büro seiner „Nachwuchsgruppe“ in München, wo er begeistert Skizzen zu der Anordnung der Proteinkomplexe zeichnete, die die Cristae der Mitochondrien formen.

Mit Walter Neuperts Tod ist ohne Zweifel eine Ära zu Ende gegangen.  

Unsere Anteilnahme gilt seiner Gattin Frau Dr. Monika Neupert, die über die Jahre Generationen von Neupert Schülern in der Zirbelholzstube in Ihrem Haus in Germering mit Speis und Trank versorgt hat.

Richard Zimmermann, Homburg
Johannes Herrmann, Kaiserslautern

 

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